20 Reisetage, die es in sich haben: Von Regenbogenbergen, einem renitenten Gaul, dem Amazonasgebiet und unserem Leben auf Brasiliens Landstraßen …

Dieter Kreutzkamp Uncategorized

Es hat längere Zeit „Sendepause“ auf unserem Blog gegeben; genau 20 Tage, während derer allerdings sehr viel bei und mit uns passiert ist. Und genau das ist der Grund für unser längeres Schweigen …

Aber der Reihe nach:

Zwischen unseren letzten Bildern aus Cusco/Peru und hier liegen rund 5000 gefahrene Kilometer. „Eine ganze Menge“, möchte man sagen, bezogen auf 20 Tage… in der Tat!

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Aber es gab da einiges, was uns gereizt hatte; nämlich runter von den 5000 m hohen Anden in das dampfend-heiße Amazonas-Randgebiet und von dort, nach langem Loop durch Brasilien, wieder hoch in die (diesmal bolivianischen) Anden…

Aber beginnen wir in Cusco, wo die Impressionen das letztemal endeten:

Für uns ist Cusco der Ausgangspunkt für den Cerro de los Siete Colores oder Rainbow Mountain (Regenbogenberg); das indigene Volk hier nennt ihn Winicunca. Eine außergewöhnliche Landschaft, touristisch erst vor ganz kurzer Zeit entdeckt und „dank“ sozialer Medien in Rekordzeit „mit der Welt geteilt“. Und da vieles in dieser virtuellen Welt maßlos übertrieben wird, werden die Regenbogenberge auch dank Fotobearbeitungssoftware gnadenlos bunt dargestellt (wie auf unseren Tickets). Dennoch … wir sind gespannt.

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Um die Regenbogenberge zu sehen, muss man auf rund 5100 Höhenmeter klettern. Und um ihre besondere Farbintensivität so richtig zu erleben, muss man einen der – in der jetzigen Regenzeit seltenen – klaren Tage erwischen.

Wir sind skeptisch, als wir Cusco verlassen, denn das Wetter war während der letzten Zeit extrem verhangen und regnerisch.

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Die rund einen Tag dauernde Zufahrt auf schmalen Bergpisten ist oft mehr als atemberaubend. Rechts, nur zehn Zentimeter neben den Reifen, ein von den Regenmassen rotbrauner, gurgelnder Fluss. Die Stein-/Erdpiste gerade mal so breit wie unser Lkw. Eine wechselvolle Fahrt durch tolle Landschaft.

Es gibt Haarnadelkurven, um die ich erst nach zweimaligem Vor- und Zurücksetzen herum komme. Spannend u. a. die Stelle, an der die Regenmassen der letzten Tage einen breiten Bach über die Piste haben schießen lassen. Rechts daneben geht es fast senkrecht in die Tiefe! „Thunder und Besatzung fassen sich ein Herz…“, und kommen ungeschoren durch.

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Die letzten Kilometer sind wegen der glitschigen roten Erdstraße (bei gut 7,5 Tonnen extreme Rutschgefahr auf nassen Erdstraßen!) nicht ohne…, aber wir erreichen sicher den Parkplatz in rund 4500 m Höhe, wo wir morgen früh Tickets kaufen werden, denn die Berge liegen im Gelände der indigenen Bergvölker.

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Während der letzten Wochen hatten wir uns im peruanischen Hochland gut an die gewaltigen Höhen angepasst. Doch morgen früh wird es zu dem Winicunca-Berg auf über 5000 Höhenmeter gehen. Und wir beide wissen, dass Juliana in solchen Höhen Atem-/Kreislaufprobleme bekommt …

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Also mieten wir uns bei den Einheimischen zwei Pferde, die uns – von Führern geleitet – von 4500 auf knapp 5000 m Höhe bringen sollten. Nur 500 Meter Differenz..?!

Das hört sich nach nicht viel an, aber in dieser Höhe haben es 500 Höhenmeter in sich! Außerdem… ein Pferderitt, das ist in unseren Augen zur Abwechslung mal was Tolles.

(Im Foto mein Pferd und meine Führerin.)

Was mir während der nächsten halben Stunde passiert, wird unser Leben während der nächsten 14 Tage verändern…

Denn plötzlich buckelt mein Pferd, steigt vorn hoch, wirft mich ab. Ich krache aus anderthalb Metern Höhe nach freiem Fall voll auf den Rücken!

„Hätte schlimmer kommen können…“, denke ich, während ich mich noch benommen auf allen Vieren abstütze und versuche, wieder zur Besinnung zu kommen.

Was immer sich nach dem Sturz noch in meinem Rücken entwickeln wird…, ich habe Glück gehabt, nicht mit meinem Schädel auf einen Stein aufgeschlagen zu sein.

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Was tun?! Die Guides meinen, mein Gaul würde lahmen. Und ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben … Die Frau nimmt ihn ins Dorf zurück.

Im Moment geht es mir noch ganz gut. Wir beschließen, dass Juliana auf ihrem Pferd mit dem Guide voranziehen wird. Ich folge zu Fuß. Und irgendwann wird aus dem Dorf ein neuer Guide mit einem anderen Pferd für mich nachkommen…

So geschieht es. Im Bild mein zweites Pferd. Dieses hat auch Zügel und eine Möglichkeit, sich festzuhalten.

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Aus der Rückschau staune ich nur, wie relativ beschwerdefrei ich mich an diesem Vormittag fühle. Ich räume dieser „Bruchlandung“ auch deswegen hier relativ viel Raum ein, weil sie (wie ich in diesem Moment noch nicht weiß) unser Leben während der nächsten zwei Wochen sehr beeinträchtigen wird. Davon aber wissen wir noch nichts, als wir durch diese wilde Hochgebirgslandschaft reiten.

Langsam heben sich die Nebel.

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In knapp 5000 m Höhe bezahlen wir (pro Pferd 50 Soles) unsere Führer. Berappen danach noch mal pro Person 10 Soles Eintritt…

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… und stehen dann vor einer atemberaubend farbigen Bergkulisse. (Anmerkung für interessierte Fotografen: alle Fotos wurden wie gezeigt aufgenommen, sind also nicht „gephotoshopped“).

Was haben wir doch für ein Glück! Die Wolken haben sich gelichtet, sogar ein wenig Sonne kriecht hervor.

Wir sind heute die ersten Tagesbesucher in der Wunderwelt der Regenbogenberge !!!

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Nicht nur der Blick auf die Montana de Colores ist umwerfend. Auch der Blick von unserem Punkt in 5200 m Höhe auf die schroffen, farbintensiven gut 6000 Meter hohen Bergriesen im Hintergrund ist  es.

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Und doch verlassen wir jetzt diese bizarre gebirgige Wunderwelt…

Die Transoceanica reizte mich: ein Verbund von Straßen, der über viele Tausend Kilometer den Pazifik in Peru mit dem Atlantik in Brasilien verbindet.

Ganz bis zum Atlantik wollen wir erstmal nicht, die Idee ist, sich nach einem mehrere Tausend Kilometer langen Loop entlang dem Amazonaseinzugsgebiet in Südbolivien wieder ins Andenhochland zurückzuarbeiten.

In den Anden unterwegs zu sein, bedeutet für das Auto ein ständiges Auf und Ab. Anfangs auch auf der Transoceanica …

Nachdem wir uns gestern noch von 4500 auf 3000 m runter gearbeitet hatten, kriechen wir heute erneut auf 4800 m hoch.

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Das ist die höchste Stelle der Transoceanica in rund 4800 m Höhe.

Während ich dieses Foto schieße, geht es Juliana aufgrund der Höhe schlecht. Ohne zu zögern, fahre ich schnellstmöglich bergab.

Abends finden wir einen Platz neben der Straße in „nur“ 3000 m Höhe.

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Die Ereignisse der nächsten Tage fasse ich knapp zusammen:

Am 2. Tag nach meinem Sturz vom Pferd beginnt mein Rücken wahnsinnig zu schmerzen. Nur mit größter Mühe kann ich in unseren Lkw einsteigen. Trotz starker Schmerzmittel ist meine rechte obere Körperhälfte paralysiert. Ich kann zwar lenken, aber nicht mehr die nach hinten einzulegenden Gänge des Getriebes bedienen. Das wird ab nun Juliana vom Beifahrersitz übernehmen. Und es funktioniert …

Im peruanischen Ort Puerto Maldonado haben wir das Amazonaseinzugsgebiet erreicht, und liegen damit nur noch geringfügig über Meereshöhe. An unseren Plastikflaschen sehen wir, wie diese auf den Druckunterschied zwischen 5000 m und 100 m reagieren.

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Die Einreise nach Brasilien ist unproblematisch. Die Straßen sind es nicht. Über viele hundert Kilometer ist die Transoceanica eine „Schlaglochstraße“ mit oft 50 cm tiefen Löchern im Asphalt.

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Oft regnet es. Tag für Tag spulen wir mehrere Hundert Kilometer ab. Ich denke, dass mir beim Pferdesturz Rippen gebrochen oder schwerst geprellt worden sind. Atmen fällt schwer, gelegentliches Husten wird zur Tortur. Nach Abwägung vieler Gesichtspunkte beschließe ich, erst mal keinen Arzt aufzusuchen und meine Rippenprobleme mir und meinen in allen Winkeln der Welt bewährten Selbstheilungskräften zu überlassen.

Juliana sieht das zwar anders, unterstützt mich dennoch aufs tollste indem sie mich umsorgt und auch noch am 12. Tag nach dem Sturz für mich – als dem Fahrer – die Gänge unseres Lkw einlegt.

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Ursprünglichen Urwald gibt es hier kaum noch. Das Land wurde zu großen Teilen urbar gemacht. Die Straßen sind stark befahren mit bis zu 40 m langen Lkw. Touristische Infrastruktur gibt es fast gar nicht.

Zwei Wochen lang übernachten wir auf den riesigen Trucker-Plätzen der ebenso riesigen brasilianischen Tankstellen.

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An einer dieser Tankstellen entdecke ich, dass eine vordere Stoßdämpferhalterung – vermutlich in einem der vielen Schlaglöcher – abgebrochen ist. Der Stoßdämpfer schlackert nur noch lose an der Vorderachse.

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Wieder mal haben wir großes Glück beim Reisen. Er heißt Natalino und betreibt in Cacerés eine kleine Werkstatt für Autofedern, und richtig gut schweißen kann er auch.

Nach drei Stunden Arbeit ist „alles wie neu“. Und wir stehen dabei und staunen, wie man bei 34°C Außentemperatur so flott und engagiert arbeiten kann.

Danke Natalino!

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Vom Ort Cacerés gäbe es eine Möglichkeit, nach Bolivien einzureisen. Aber dort müssten wir auf roten Erdpisten fahren, die bei den alltäglichen Wolkenbrüchen sicherlich derzeit Schlammpisten sind. Wir wissen aber auch, dass das nicht ohne Probleme zu bewältigen sein wird; dafür müsste ich mich auf meine Körperkraft verlassen können. Kann ich aber wegen meines Rückenproblems nicht…

Also machen wir einen 2000 km langen Umweg auf Asphaltstraßen, quasi einmal rings um das Pantanal. Ein Landschafts- und Tierparadies, dessen Erdpisten jedoch jetzt zur Regenzeit besser nicht mit einem Lkw befahren werden!!!

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Erneut sind Trucker-Plätze unser nächtliches Domizil.

Kurz hinter der brasilianischen Stadt Corumbá überqueren wir die brasilianisch-bolivianische Grenze (6 Stunden für Grenzformalitäten!!!).

In Bolivien ticken die Uhren in mehrfacher Hinsicht anders. U. a. auch insofern, als man mit einem nicht-bolivianischen Kfz-Zeichen keinen Sprit zum Normalpreis kaufen kann. Oft bekommt man überhaupt keinen… Das kann heiter werden: Am Abend der Grenzquerung leeren wir die letzten beiden Flaschen „Eisenbahn-Pilsener“, die wir in Brasilien erstanden hatten. Prost!!!

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Knapp 800 km sind wir jetzt schon in Bolivien unterwegs. Thunder rollt prächtig. Mein Rücken erholt sich zusehends. Diese Zeilen verfasse ich am Rande von Santa Cruz, Boliviens Wirtschaftsmetropole.

Was uns aber vor allem an diesem Land reizt, sind die riesigen Salzseen, Solar des Uyuni und andere. Dorthin geht es als nächstes – erneut sind 1000 km zu fahren. Zum Glück braucht Juliana jetzt nicht mehr die Gänge einzulegen. Ich beginne nach der Pferdeepisode wieder zu funktionieren!

Und dem total verdreckten Thunder haben wir eine „Ganzkörperpflege“ spendiert.

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Alle Fotos: Foto und Copyright Dieter Kreutzkamp