Am 13. Februar zupften unsere Schutzengel ihre Harfen…!

Dieter Kreutzkamp Uncategorized

Dieser kurze Blogbeitrag reicht von unserer Abfahrt von Puerto Natales, nahe dem Torres del Paine Nationalpark, bis entlang der von Regenwald gesäumten Küstenstraße (der Carretera Austral – Chiles Wildnisstraße) im mittleren chilenischen Patagonien.

Aber zunächst fahren wir noch einmal nach Argentinien; zum einen, weil hier in Chiles Süden keine durchgehende Straßenverbindung existiert, und natürlich der Besuch des spektakulären Monte Fitz Roy, dem wir vor zwei Jahren schon drei Besuche abgestattet hatten, erneut reizt.

Wer Pech hat, sieht die Berge eine Woche lang nicht, auch wenn er direkt vor ihnen steht. Zwei Jahre zuvor hatten wir das unverschämte Glück, die scharf gezackten wilden Gipfel tagelang wolkenfrei zu sehen und mehrere großartige Wanderungen vom einzigen Ort El Chaltén aus zu machen.

So toll war das Wetter diesmal nicht – aber wir wollen nicht klagen.

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Auch bei unserer Tageswanderung zur Laguna Torre und zurück hätte das Wetter besser sein können. Der Nebel, durch den sich dann und wann die Sonne zwängte, verlieh dem Ganzen aber jenes Wilde, Natürliche, Urtümliche, was ich so gern mag.

Eis barst und versank im Wasser. Aber zwei riesige Gletscher schoben schon Nachschub heran. Eine Urlandschaft mit wildem Begleitkonzert…!

Als wir fußlahm aber zufrieden nach El Chaltén zurückkamen, begrüßte uns dieser Mercedes Benz der 50er Jahre, der hier als ausgedientes Wohnmobil sein Dasein fristete. Solche Mercedes Oldtimer-Schätze sieht man wohl nur in Argentinien.

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Wir fuhren auf der Ruta 40 in Argentinien nordwärts und knickten in Höhe des chilenischen Nationalparks Patagonia nach Chile ab. Durchrollten „Westernlandschaften“ wie in Utah oder Wyoming, aber völlig ohne Touristen.

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Der NP Patagonia ist das späte Lebenswerk des North Face (weltbekannte Outdoor-Marke) Gründers Douglas Tompkins, ein riesiges Wildnisgebiet, das er mit eigenem Kapital zusammenkaufte und dem chilenischen Staat vermachte – und bald darauf hier tödlich verunglückte…

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Im Bild unsere erste Nacht in diesem Park unter dem Vollmond des Südens …

Der folgende Morgen konnte da mithalten, denn es gab Pfannen-Bannocks – gebrutzelt auf offenem Lagerfeuer.

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Die Carretera Austral ist quasi Chiles Antwort auf Argentiniens Ruta 40. Beide schlängeln sich entlang der Anden, die eine im Westen, die andere im Osten des Riesengebirgszuges.

Aber… im Gegensatz zur Ruta 40 ist die Carretera Austral im Sommer (Januar/Februar) der Magnet für Besucher aus dem In- und Ausland.

Radfahrer und unzählige Hitchhiker (so viele habe ich sonst nirgends auf dem Globus gesehen – die meisten zwischen 18 und 30 Jahre alt), Wanderer mit riesigen Rucksäcken und viele Motorradfahrer (auch einige aus Deutschland und Mitteleuropa).

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Klar, die Landschaft ist großartig – aber der Touristenrummel hier ist mir einfach zu viel. Wir biegen zur Küste ab; hindurch durch Wälder mit Nalcas (mit riesigen dem Rhabarber ähnelnden Blättern), wilden, meterhoch wachsenden Fuchsien und großen, leuchtenden Trompetenblumen.

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So erreichen wir auf enger, grober Schotterpiste den Ort Puerto Raúl Marin Balmaceda. Leider ist die von uns eingeplante Fähre nach Norden für längere Zeit ausgebucht (übrigens auch hier: Ausländer zahlen den doppelten Preis von dem, den Chilenen zahlen…! Im Torres del Paine Park waren es 350 !!! Prozent !!!).

Wie auch immer; keine Fähre… wir kehren um.

Auf der Rückfahrt von der Küste kommt mir auf der Piste ein 30-Tonnen-LKW entgegen. Da er schwer beladen ist und sich auf der Pistenmitte hält, weiche ich etwas zum Rand aus. Innerhalb von zwei Sekunden erkenne ich, dass der bodenlos ist. Mein rechtes Vorderrad sinkt einen Dreiviertelmeter ein. Ein Rauskommen allein… unmöglich.

Ich raus aus dem Auto… hinter dem LKW her. Der Fahrer sieht mich…, ist freundlich, hilfsbereit… versucht mich rückwärts rauszuschleppen. Dadurch wird es schlimmer. Die rechte Hinterseite unseres Thunder liegt schon am Felsen an.

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„Nicht weit von hier ist ein Straßenräumfahrzeug im Einsatz“, sagt der Trucker. Er nimmt mich dorthin mit. Nach drei Kilometern haben wir diesen grader erreicht. Ein hilfsbereiter junger Mann, Jonathan Gonzales, drauf.

Er fährt mit mir zurück.

Ich mache die lange Geschichte kurz:

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Wir haben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Nach hinten ziehen und Gefahr laufen, dass die hintere rechte Seite an den Felsen (an denen Thunder schon anliegt) aufgerissen wird, oder von vorn ziehen und dabei das große Risiko eingehen, dass unser Fahrzeug im Erdbrei des Regenwalds komplett absackt und umkippt.

Mit seinem extrem kraftvollen und wendigen Gerät versucht der Fahrer Thunder von den Felsen wegzuziehen. Unser LKW hat sich indes noch mehr im Fels verklemmt. Mit einem gewaltigen peitschenhaften Knall zerreißt mein für 12 Tonnen ausgelegtes Abschleppband…!

Der junge grader-Fahrer ist umsichtig – das ist gut. Denn wäre er das nicht und würde Thunder nur nach vorn rausschleppen, würde unser Fahrzeug unweigerlich umkippen und auf die rechte Seite knallen.

Denn beide linken Räder berühren nur noch auf wenigen Millimetern den Boden – Thunder schwebt auf der linken Seite…

Aber mit dem tollen Burschen finde ich den richtigen Winkel zum Rausziehen.

Da wir die Piste völlig blockieren, sind inzwischen sechs Zuschauer da.

Der Fahrer zieht feinfühlig an, hält den richtigen Winkel. Da war wohl keiner, der Thunder nicht auf der Seite liegen sehen hat, der Grund war bodenlos.

Aber unsere Schutzengel zupften an diesem Nachmittag ihre Harfen für uns!!! Mit nur kleinen Blessuren kamen wir frei.

Danke Jonathan Gonzalez! Danke Schutzengel!

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Das war die gefährlichste Situation, die wir mit Thunder hatten, seit wir ihn vor rund 30 Jahren kauften.

Alle Fotos: Foto und Copyright Dieter Kreutzkamp