Den meisten Travellern reicht es, einmal in den Süden Patagoniens zu reisen. Danach sagen sie: „Tolle Landschaft… Ja! … Aber… dieser ewige Wind…!“. Und fahren nordwärts. Der Sonne entgegen.
Dieses „Ja … Aber“ gilt auch für uns. Aber: Trotz aller Wetterkapriolen ist dieses eine der landschaftlich wildesten Gegenden der Welt. Und so wird dieser Blogbeitrag umreißen, wie und wo wir während der letzten 20 Tage unterwegs waren und wie wir dem Sturm quasi ins Auge geschaut haben.
Aber da kein Langzeitreisender behaupten wird, dass Reisen immer nur ein Vergnügen ist, kurz die Anmerkung, dass unser LKW vor rund drei Wochen begann, herum zu zicken. Kurzdiagnose: eine Sicherung durchgeschmort. Bremslicht und Blinker funktionieren nicht mehr. Als erstes also: eine Ersatzsicherung rein. Eine Sekunde später ist auch sie durchgebrannt. Da ich nach mehr als 250 000 Kilometern mit unserem Thunder auf Du und Du stehe, enge ich den Problemkreis schnell ein und stelle fest, dass das dicke stromführende Kabel der Lichtmaschine ein Ein-Euromünze großes Loch in die Metallfassung der Lichtmaschine gebrannt hat. „Gibt`s doch nicht!“, wird jetzt mancher sagen. Doch! Bei uns!
Und schon spritzen auch ganz wild die Funken, und mein Arbeitslappen brennt plötzlich lichterloh im Motorraum. Das hätte auch anders ausgehen können…
Ich verzeihe Thunder diese Kapriolen, improvisiere, isoliere, verlege Kabel. All das nicht etwa in einer Werkstatt, sondern in einem wunderschönen, windgepeitschten, teils abgebrannten Waldstück… (nachfolgendes Bild).
Soweit eine Momentaufnahme aus dem Alltag zweier Globetrotter. Die Bremslichter leuchten jetzt wieder, die Blinkleuchten noch nicht. Blinkrelais durchgeschmort! Mal sehen, wo ich ein neues auftreiben kann. Aber das Grundproblem mit dem Kurzschluss ist behoben.
Manchmal huscht auch dem abgebrühten Globetrotter durch den Kopf: „Was machst du, wenn dein Auto irgendwo verreckt?! 300 km vor dir keine Stadt und 200 km hinter dir auch nicht …“.
Aber Thunder läuft ja prächtig und zuverlässig „wie ein junger Gott“. Entlang der Ostflanke der Anden bringt er uns südwärts. Durch monotones, flaches Land: Pampa eben. Endlose Zäune entlang der Straße. Dahinter das graue, spärlich bewachsene Land riesiger Estanzias. Rinder und Schafe sehen wir selten, dafür umso mehr wilde Guanakos.
Etwa auf dem 44. Breitengrad verlassen wir die legendäre Ruta 40 und fahren gen Osten zum Meer.
Warum wir von den Anden erneut an den Atlantik fahren, mag man fragen. Die Antwort: Weil es in den meisten Regionen unserer Welt solch wilde, einsame, unberührte Küstenabschnitte wie jene entlang der Ostküste Argentiniens nicht mehr gibt.
Zuvor stoppen wir am Bosque Petrificado südlich von Sarmiento, wo versteinerte Baumstämme unterhalb dieser leuchtend roten Wüste die Jahrmillionen überdauert haben.
Toll, einsam und menschenleer ist es hier, nur der Wind heult, was man auf dem Bild nicht mal ahnen kann… Zwei Tage später sind wir am Atlantik bei Puerto Deseado, wo wir bei einem der seltenen windstillen Momente am Rand einer bizarr abfallenden Felswand sitzen und beobachten, wie die Gezeiten des Meeres bis weit flussaufwärts in den Rio Deseado dringen. Ein seltenes Schauspiel.
Die akustische Untermalung ist das Grunzen und Heulen von Seelöwen, die nur wenige hundert Meter von uns entfernt auf Felsinseln dösen. Bis zum Cabo Blanco sind es rund hundert Kilometer auf einsamer und oft schlechter Piste. Aber was für eine Belohnung dort: viele hundert Kormorane, Möwen und andere Seevögel, deren Geschrei vor allem während der Dämmerung ohrenbetäubend ist.
Großartige Eindrücke – doch dazu wütet ein schneidend kalter Sturm. Dennoch, großartige Impressionen! Wie muss das einst für den einsamen Leuchtturmwärter hier gewesen sein. Der Leuchtturm wurde längst durch moderne Techniken ersetzt. Jetzt sind wir die einzigen Menschen hier.
Weiterfahrt nach Süden zur Bahia San Julian: Von einer steil abfallenden Küstenwand aus bröseliger Erde (Vorsicht Absturzgefahr!) blicken wir auf Pelzrobben 20 Meter unter uns auf Felsen im Meer.
Und wieder sind nur wir die einzigen Menschen dort. Ein scharfer Wind treibt uns in unseren LKW zurück… bis irgendwann der Wind doch eine Verschnaufpause einlegt – lange genug, um unser Abendessen draußen zu futtern.
Die Stadt Rio Gallegos an der Grenze zu Feuerland ist diesmal der südlichste Punkt unserer Reise. (In Ushuaia, der südlichsten Stadt auf dem Globus, waren wir bereits.) Und so knicken wir nach Westen Richtung Torres del Paine (Chile) ab. Der Sturm kommt während der Fahrt meist von vorn. Ich habe den Eindruck, mit angezogener Handbremse zu fahren.
Und dann folgt unser dritter Besuch der bizarren Felswände des Torres del Paine Nationalparks. (Wehrmutstropfen: Ausländer zahlen hier und anderswo das rund dreieinhalbfache für den Eintritt von dem was Chilenen zahlen. Sowas wäre undenkbar in Europa. Mir treibt eine solche Praxis hier den Blutdruck in die Höhe!)
Doch nun zum Park selbst: wild, bizarr, schön, mit Guanakos und Pumas!
Rekordverdächtig aber ist auch die Zahl der hier im Januar (Hochsommer!) anzutreffenden Besucher. Nun ja… bei dieser Landschaft. Aber ich lasse besser ein paar Bilder sprechen:
Oft regnet es. Eben noch von rechts und Sekunden später von links kommende Winde reißen uns fast von den Beinen. Über den Himmel ziehen vom Sturm eigenwillig geformte Wolken.
Die Hauptwanderung zur hoch gelegenen Lagune mit dem Blick auf die sie umgebenden senkrechten Felstürme (Torres) hatten wir bereits früher unternommen, jetzt beschränken wir uns auf andere mehrstündige Wanderungen.
Immer wieder fallen eisige Winde vom 240 Quadratkilometer großen Grey Eisfeld über uns her!
Ein paar Tage später: In Puerto Natales campen wir eine Nacht in unserem Thunder am Hafen und genießen dort den herrlichen Blick auf spektakuläre Wolken über dem Meer. Dazu Pommes und ein Gläschen argentinischen Malbec-Weins. (Foto aufgenommen um genau 22:13 h. Im Sommer, also Januar, bleibt es hier lange hell.)
Wir verlassen Chile und sind eine Tagesreise später in El Calafate, Argentiniens südlichem touristischen Dreh- und Angelpunkt für die riesigen Eisfelder hier. Als nächstes wollen wir Monte Fitz Roy einen Besuch abstatten, dem spektakulären Felsmassiv, das dem der Torres del Paine (hier im Bild) allemal ebenbürtig ist.
Übrigens: Auch in Südamerika spürt man – fast so wie in Deutschland – die VW Bulli-Begeisterung. Und an witzigen Ideen mangelt es auch bei den hiesigen Fahrern nicht. Dies Foto habe ich just hier in El Calafate aufgenommen.
Alle Fotos: Foto und Copyright Dieter Kreutzkamp