Ich habe vergessen, wie viele Male wir Weihnachten irgendwo on the road gefeiert haben. Meistens hatten wir auch unterwegs ein „Stückchen Heimat“ dabei. Etwas Weihnachtsschmuck, ein paar Takte „Oh du fröhliche…“ im Kassetten- oder CD-Format.
Dieses Mal kommt das Weihnachtsgeschenk höchstpersönlich:
Am Heiligabend landen Bettina und Christian im südpatagonischen El Calafate. Die zwölf Tage, die wir gemeinsam verbringen werden, sind sehr knapp bemessen für das, was wir vorhaben.
Heiligabend am Südende der Welt… da bleibt einem das Tageslicht bis um 22:00 Uhr treu. Zu dieser Zeit umfächelt der Duft argentinischer T-Bone-Steaks unseren Thunder. Am ersten Weihnachtstag donnern mächtige Eisschollen vom riesigen Perito-Moreno-Gletscher vor uns in die Tiefe.
Am Abend desselben Tages erreichen wir erneut den Ort El Chaltén, der, das wussten wir im voraus, gerade über Weihnachten Wanderer aus allen Teilen der Welt anzieht. Ein erst wenige Jahrzehnte alter Ort, bei dem das durchschnittliche Alter der fit aussehenden und zünftig ausgerüsteten Besucher zwischen 25 und 35 zu liegen scheint.
Die Anfahrt dorthin ist stürmisch, der Himmel gibt sich in seiner bevorzugten Farbe: grau. Aber dann der Morgen danach: Als ich die Tür unseres Lkw öffne, verschlägt es mir förmlich die Sprache. In nie zuvor erlebter Klarheit wird die scharf gezackte Kette der patagonischen Berge von Mount Fritz Roy überragt.
Ruckzuck sind unsere leichten Rucksäcke gepackt, wir fahren zum Startpunkt unserer Tageswanderung: 9 Stunden werden wir auf den Beinen sein; anfangs durch einen Urwald knorriger Baumstämme, die sich hier in der relativ windgeschützten Nische eines Tales angesiedelt haben. Dazu Blicke auf Gletscher; und letztendlich – nach steilem Anstieg – der Blick auf die Spitzen des Fitz Roy und der Torres. Vor uns die Laguna de los Tres. Hier einen Tag wie diesen zu erleben, ist ein besonderes Weihnachtsgeschenk!
Unser Ziel ist Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Die Reise dorthin ist eine Reise gespickt mit Highlights, ein wilder optischer Genuss. Immer vorausgesetzt, man ist windresistent und besitzt eine wasserabweisende Haut wie ein Walross…
Um den Torres del Paine Nationalpark zu erreichen, müssen wir die Grenze nach Chile überqueren, denn Argentinien und Chile teilen sich hier einige der wildesten Landschaften der Welt.
Pläne für eine durchgängige viertägige Wanderung hatten sich zerschlagen. Gründe: Gut ein Jahr zuvor sich für einen Campground anzumelden, wäre keine schlechte Idee gewesen, denn es gibt nur relativ wenige Plätze und die Gäste kommen aus aller Welt. Die Gebühren für einen Platz im Schlafsaal mit Verpflegung kosten rund 700 € pro Person für drei Nächte…
Daher wollten wir zelten, doch es gab einfach keine freien Campgrounds in dieser Superwildnis mehr. Zur Unübersichtlichkeit beigetragen hatte auch das chilenische Buchungssystem, bei dem sich drei Agenturen die Zuteilung teilen. Für den dritten und letzten Campingplatz bekamen wir Monate nach der Anfrage eine Absage. Vielleicht war das auch ein Fingerzeig des Schicksals, denn während der nächsten Tage regnet es wie aus Kübeln, dazu ein eiskalt pfeifender Wind. Also machen wir Tagestouren:
Und da wir das Wetter so akzeptieren wie es ist, kommen wir doch noch auf unsere Kosten.
Dann das Kontrastprogramm: die organisierte Bootstour zum Grey Gletscher. Ein Foto zu machen, ohne dass die Linse der Kamera klatschnass wird, ist quasi unmöglich. Dennoch ein großartiger Trip!
Und irgendwann stehen Guanakos wie Models vor der Kulisse der patagonischen Anden.
Die Kompassnadel ist jetzt auf „Feuerland“gestellt: Die Reise zum Südzipfel des amerikanischen Kontinents beginnt.